Strategien gegen den Fachkräftemangel in der Hotellerie

Fachkräftemangel Hotellerie DHA Blog

Über Schnellschüsse & innovative Personalbeschaffung

von Jan Steffen, 01/23

Ursprünglich sollte dies ein weiterer Artikel über den Fachkräftemangel in der Hotellerie und Gastronomie werden. Artikel, Ratgeber, „Lösungen“ & Co. gibt es jedoch wie Sand am Meer. Inzwischen dürfte doch wirklich jeder und jedem bewusst sein, dass wir einen Fachkräftemangel in der Hotellerie und Gastronomie haben – und das nicht erst seit der Pandemie. Die Mitarbeitenden wandern ab oder gehen in Rente und es kommen gefühlt keine nach.

Das Netz und der Markt sind voll von Blogartikeln, Tutorials, Produkt- und Serviceangeboten, die gespickt sind mit guten Ratschlägen, was man gegen den Fachkräftemangel tun sollte. Da sieht man irgendwann vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr, geschweige denn, dass man die nützlichen Artikel von den unnützen unterscheiden kann. An dieser Stelle empfehlen wir gerne noch einmal den Artikel von Merle Losem, Geschäftsführerin der Deutschen Hotelakademie, aus 2020 – dieser wartet mit sehr guten und handfesten Tipps gegen den Fachkräftemangel auf.

Wir würden auch so weit gehen, vorauszusetzen, dass die Unternehmen sich mit den Konsequenzen als auch den Lösungen gegen den Fachkräftemangel und dem allgemeinen Mitarbeitermangel in der Hotellerie und Gastronomie auseinandergesetzt und entsprechende Maßnahmen bereits eingeleitet haben.

Auf die Zielgruppe eingehen und Mitarbeiter nachhaltig binden

Apropos Lösungen und Ratschläge, von denen es im Netz nur so wimmelt. Ob nun ein Jobrad als Anreiz und zur Bindung von Mitarbeitenden empfohlen wird, die Nutzung von Portal X oder Facebook, Instagram und TikTok – alles sicher gut gemeint. Doch jede einzelne dieser Aktivitäten ist wertlos und nichts als verschossenes Pulver, wenn keine nachhaltige Strategie dahintersteckt.

Als Basis muss ich mich zumindest einmal mit der Zielgruppe, ihrem Antrieb und ihren Bedürfnissen auseinandergesetzt haben. Es gibt so viele vorbildliche Ideen und Konzepte am Markt, die auch wirklich gut sind, doch die gewünschten Resultate bleiben aus. Woran mag das liegen? Kurz gesagt: Nicht selten mangelt es an einer konkreten Zielgruppenausrichtung und ganz konkreten Eingrenzung sowie Ansprache dieser. Natürlich ist es schön, Anerkennung und Bestätigung für seine innovativen Konzepte im Human Resources Management und Recruiting zu bekommen. Doch das alles verpufft, weil die meisten eben „nur“ in der bekannten „Bubble“, unter Branchenkollegen, bleiben. Die Zielgruppe ist weit davon entfernt und wird schlichtweg nicht erreicht.

Wie kann denn nun so eine nachhaltige Arbeitgebermarken- oder Recruiting-Strategie aussehen, die genau die erreicht, die es zu begeistern gilt? Was gibt es alles zu beachten und welche Basics sollten erfüllt sein? Darüber haben wir mit dem Personalmarketing-Experten und gelerntem Hotelfachmann Jan Steffen gesprochen. Er hat sich mit seiner Agentur, der eTo Personalmarketing GmbH, auf nachhaltiges Employer Branding und Recruiting in der Hotellerie und Gastronomie spezialisiert.

Jan Steffen moderiert zudem den Hospitality HR Award. Ein Award, der innovative HR-Konzepte gegen den Fachkräftemangel in der Hotellerie und Gastronomie ehrt. Die Konzepte werden u.a. auch danach ausgezeichnet, ob sie ganzheitlich gedacht sind und die gewünschten Resultate bringen – ein Fundus an Personalmanagement-Strategien mit Leuchtturmcharakter.

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Jan, die ibw hat 2022 eine Unternehmensbefragung zum Fachkräftemangel durchgeführt. Die Umfrage ergab unter anderem, dass 67,3 % der Unternehmen die Ursachen des Fachkräftemangels in der Gastronomie auf ein „zu geringes Interesse an diesen Berufen“ zurückführen. Wie ordnest Du das ein?

Wir haben es hier mit einer Zielgruppe zu tun, die durch ein hohes Maß an Transparenz geprägt ist. Dies hat zum einen eine hohe Informationsbereitschaft zur Folge und darüber hinaus zumeist eben auch eine gute Fähigkeit, die Authentizität eines Angebotes zu bewerten. Die Gastronomie und Hotellerie hat in den letzten Jahren bekanntlich unter dem schlechten Image zu leiden und ist von einem „Selbstläufer“, im Sinne der Personalsuche, zu einem Arbeitsangebot geworden, das nah an der Zielgruppe erklärt werden muss. Da reicht es nun mal nicht aus, ein paar bunte Bilder zu posten, auf denen „glückliche“ Mitarbeitende ihre Daumen in die Luft halten und das dynamische Team suggerieren. Nach meiner Auffassung kann das Interesse nur durch Emotionstransport, Aufklärung und schonungslose Ehrlichkeit wiedergewonnen werden. Man muss mit der Zielgruppe in den offenen Dialog treten, wie es zum Beispiel Olaf Beck, bei unserer Nacht der Hotellerie, mit seinem Vortrag „Von der fünf in Mathe zu 5 Sterne Deluxe“, macht.

(Arbeitgeber-) Kommunikation ist keine Einbahnstraße

Ich würde gerne noch einmal zum „Dialog“ zurückkommen. Welche Bedeutung hat eine gewisse Dialogbereitschaft und welchen Schalter muss ich aus meinem gewöhnlichen Tun im HR-Arbeitsalltag umlegen, um mich den Anforderungen der Zielgruppe anzupassen?

Wenn wir von einem Paradigmenwechsel vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt sprechen, dann sollte ich auch meine Kommunikation umstellen. Natürlich kann ich mich darüber aufregen, dass die eine Generation so und die andere so ist. Das war schon immer so und wird sich auch in Zukunft nicht ändern. In unserem Zeitalter sollte Kommunikation keine Einbahnstraße sein, sondern im Sinne des Dialogs auf Augenhöhe gelebt werden – ohne mich anzubiedern. Diese Erkenntnis würde folgerichtig dazu führen, dass ich meine Arbeit in der Personalabteilung, insbesondere im Recruiting, komplett anders angehe.

„Lass doch mal was mit Faceblock und Twister machen.“ – tönt es immer öfter aus den Unternehmen, die hoffen hier die Lösung für ihre Herausforderungen im Recruiting zu finden. Ist es die eine Lösung für all meine Probleme?

Haha, Faceblock und Twister. Ein Teilnehmer eines meiner DHA-Webinare hat mir tatsächlich erzählt, dass sein Chef mit dieser Ansprache in das Meeting gekommen ist.

Entgegen den aktuellen Werbeversprechen – 20 Kandidaten in 5 Tagen – sind auch die Social-Media-Kanäle keine Wunderwaffe gegen den Fachkräftemangel. Irgendwas aus der „Hüfte“ zu schießen kann vielleicht in einem von 100.000 Fällen funktionieren, aber der Erfolg ist meist nicht von Dauer, die Abbruchraten zu hoch. Das ist nicht verwunderlich. Wenn ich sehe, dass es die Welt, die mir in der Social-Media Anzeige vorgegaukelt wird, gar nicht gibt und die Realität eine ganz andere ist, dann fühle ich mich hintergangen. Hier gilt es, das Ganze mit Sinn und Strategie anzugehen. Mal eben „was mit Faceblock und Twister“ wird nicht den gewünschten Effekt bringen.

Es kann doch nicht im Interesse der Arbeitgebermarke sein, dass ich mich als „austauschbar“ positioniere

Positiv hervorzuheben ist dennoch, dass Unternehmen erkannt haben, dass sie neue Wege gehen müssen und der Personalarbeit mehr Bedeutung geben. Sie versuchen sich an allerlei -guten!- Recruiting-Technologien, die als Portal X ihre Anzeigen via Social Media verbreiten. Warum lässt der Erfolg dennoch zu wünschen übrig?

Dafür kann es viele Gründe geben. Wenn wir hier über den Aufbau von Arbeitgebermarken sprechen, dann sollte eben auch die Außenkommunikation im Namen und in der CI des Arbeitgebers stattfinden. Wir sehen immer wieder Social Recruiting Kampagnen – auch von großen Marken – die Kampagnen über Anbieter schalten, bei denen alle Anzeigen gleich aussehen, lediglich Name und Logo werden ausgetauscht. Es kann doch nicht im Interesse der Arbeitgebermarke sein, dass ich mich als „austauschbar“ positioniere. Für unsere Kundinnen und Kunden nutzen wir modernste KI-Technologie, aber zu 100 % in der Marke des Unternehmens, wir tauchen als Agentur gar nicht auf. Das ist im Setup am Anfang etwas aufwendiger, zahlt sich aber dann mehr als aus - nicht zuletzt ob der guten Transparenz. Personalmarketing bedeutet ja, dass wir die Arbeitgebermarke positionieren, so wie es im klassischen Marketing eben auch stattfindet. Wenn eine Produktmarke Werbung für ein Mineralwasser entwirft und die Konkurrenz genau dieses Design übernimmt, mit anderem Logo, dann würde das bei Käufern doch auch zu „Verwunderung“ führen. Kauf- und Bewerbungsentscheidungen sind hochindividuell und es reicht nicht nur gute Technik zu haben, ich brauche auch ein gutes Angebot.

Wenn ich das nun alles richtig mache, kann ich dann mit guten Ergebnissen innerhalb von wenigen Tagen rechnen?

Naja, ich muss mir darüber im Klaren sein, dass es Zeit braucht. Folgendes Szenario: Du fährst mit Deinem Twingo durch Berlin. Plötzlich siehst Du am Straßenrand ein Plakat für den neuen VW Polo. Grundsätzlich ist das Auto in Deinem Budget, aber dennoch fährst Du nicht sofort rechts ran, lässt den Twingo stehen und kaufst Dir einen Polo. Nein, vielmehr reift der Gedanke zur Veränderung nach und nach, man recherchiert, liest vielleicht Testberichte und fragt Freunde. Irgendwann fällt die Entscheidung für den Polo. Das passiert nicht sofort. Es ist ein Prozess. Genauso läuft es doch auch bei der (passiven) Suche nach einem neuen Job. Es ist ein Prozess.

Es braucht Mut und den Willen zur Veränderung

Oh ja, es sind ganz schön viele „Wunderheiler“ unterwegs. Bevor ich mich für etwas entscheide, sollte ich mir zwei grundlegende Fragen stellen: Was möchten meine Mitarbeitenden und was kann mir meine tägliche Arbeit erleichtern? Was sicherlich essenziell ist, ist ein gutes Bewerbermanagement sowie ein durchdachter Funnel. Wir begleiten unsere Kundinnen und Kunden sehr eng bei der Auswahl, da dieses die Basis für viele Aktivitäten bildet. Allgemein kann ich aber sagen, dass jede Aktivität mit Strategie durchgeführt werden sollte. Lieber kleine Schritte, die aber dann auch entsprechend nachhaltig sind.

Oft wird auch mit kostenfreien Angeboten geworben. Was sagst Du dazu?

Wenn ein Produkt oder Dienst Dich nichts kostet, bist Du das Produkt. Um sich als Arbeitgeber zu positionieren, mit dem Ziel sich gegen den Fachkräftemangel zu stellen, braucht es neben Mut und dem Willen zur Veränderung, eben auch klare Budgets.

Bild Autor Jan Steffen

Über Jan Steffen

Jan Steffen ist gelernter Hotelfachmann und Geschäftsführender Gesellschafter der eTo Personalmarketing GmbH. Die Abkürzung eTo steht für „escape The ordinary“ – der Mission, der wir uns für das nachhaltige Personalmarketing & Employer Branding unserer Kund:innen verschrieben haben. Alternative Wege im Recruiting beschreiten und dabei die Menschen im Fokus behalten – sowohl die Mitarbeitenden als auch die, die es werden w/sollen. Unsere Kernkompetenzen? Empathie, Aufbau von Arbeitgebermarken, on- und offline Kampagnen, Konzept & Design, Stellenanzeigen, internes HR Prozessmanagement & Schulungen.

 

Quellen:
Unternehemensbefragung zum Fachkräftebedarf/ -mangel; Fachkräfteradar 2022 ibw-Forschungsbericht Nr. 210; Wien 2022; Helmut Dornmayr, Marlis Riepl

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